Logo des geistigen Schulungszentrums
kleiner weißer Lotos des Lichtes

ESOTERISCHE  ASTROLOGIE - DAS PRAXISBUCH

von Gunda Scholdt
 Leseprobe

Was ist Astrologie?


Was oben ist, ist wie das, was unten ist,
und was unten ist, ist wie das, was oben ist.
Hermes Trismegistos

Hinter allem Geschehen der äußeren Welt wirkt ein ewiges zeitloses Gesetz, und seine Wirkung zeigt sich auf allen Ebenen des Universums bis ins kleinste Atom. Dieses Gesetz ist das Gesetz des Rhythmus, der sich in Form von Schwingungen auf alle Lebensformen überträgt und die sichtbare Welt zu einem einheitlichen harmonischen Ganzen ordnet. Die Griechen nannten dieses Gesetz Logos, was im übertragenen Sinne Schöpfer oder Gott bedeutet, denn es stellt den »Pulsschlag des Lebens« dar, der die Vielfalt von Energien und Kräften lenkt, die hinter der sichtbaren Welt wirken und alle Formen der physischen Welt hervorbringen.

Wollen wir das Geheimnis des Lebens entdecken oder das, was die Welt im Innersten bewegt, so müssen wir die Rhythmik untersuchen, der alles irdische Leben unterliegt. Diese wird uns durch die Beobachtung des gestirnten Himmels offenbart, der uns als Spiegelung irdischer Angelegenheiten dienen kann, wenn wir die Bewegungen der Gestirne zur Bewegung der Erde in Beziehung setzen, die durch Drehung um die eigene Achse unsere Zeit bedingt. Denn Zeit entsteht durch Bewegung, durch die Eigendrehung der Planeten und ihr Kreisen um eine zentrale Sonne, die die Quelle materiellen Lebens bildet. Aber auch die zentrale Sonne bewegt sich ihrerseits um den Zentralstern einer Galaxie, der ihre Sonne bildet, und so ihren größeren Rhythmus oder ihre Zeit bedingt.

Leben ist also Rhythmus, und jedes kleinere Leben ist eingebunden in einen größeren Rhythmus, der wiederum alle kleineren Rhythmen harmonisch zu einem umfassenderen einheitlichen Ganzen ordnet. Alles Leben ist ein Schwingen und Kreisen um einen zentralen Kern, der sich im Rhythmus des jeweils größeren Lebens bewegt. Dieses Prinzip finden wir im großen wie im kleinen, und so kann das Atom auch als ein Abbild des Sonnensystems betrachtet werden, denn die Elektronen umkreisen den Atomkern wie die Planeten die Sonne.

Aber auch der Mensch kreist um einen Kern, seine »geistige Sonne«, die das Zentrum seines Lebens bildet. Und dies ist es, was uns im okkulten System der Astrologie als ewiges Vermächtnis erhalten ist, denn sie bewahrt das Wissen über die Vielzahl von qualifizierenden Energien und Kräften, die in Raum und Zeit auf den Menschen einwirken und seine Entwicklung bedingen. Sie lehrt uns, daß alles Wirken im Physischen eine Entsprechung in einem höheren Schöpfungsplan hat, der uns im Tierkreis als dem »Urkreis des Lebens« offenbart wird. Dieser Tierkreis, der sich seit altersher in allen Kulturkreisen unabhängig voneinander erhalten hat, bewahrt in seiner Symbolik eine zeitlose und ewige Schöpfungsordnung, die durch die rhythmische Bewegung der Planeten eine Zeitqualität erhält, die auf alles physische Leben einwirkt.

So stellt die Astrologie in ihrer Symbolik ein umfassendes, sehr komplexes Wissen über die geistigen Entwicklungsgesetze irdischen Lebens dar. Sie ist Teil des Ur-Wissens der Menschheit, das als »Geheimwissen« gehütet wurde und alle Zeitalter überdauert hat. Doch leider wurde sie im Laufe der letzten zweitausend Jahre immer mehr verweltlicht und zum Teil so verändert und profanisiert, daß sie von vielen nur noch als Wahrsagerei verstanden wird, was die Mehrzahl der Intellektuellen und Wissenschaftler, die sich für kritisch und aufgeklärt halten, heute veranlaßt, sich verächtlich von diesem »Aberglauben« zu distanzieren. Diese Haltung ist angesichts der lächerlichen Rubriken in Illustrierten und anderer mehr oder weniger banaler Publikationen durchaus verständlich, doch diese haben mit Astrologie in ihrer ursprünglichen Bedeutung ja auch nicht das mindeste zu tun.

In ihrer ursprünglichen Form ist die Astrologie eine Wissenschaft, die uns in symbolisch-verschlüsselter Form den geistigen Hintergrund des Lebens erschließt. Sie gründet auf dem Wissen, daß Makrokosmos und Mikrokosmos nach analogen Prinzipien funktionieren und der ganze Kosmos ein Ordnungsgefüge ist, das nach einem einheitlichen Gesetz aufgebaut ist. Denn jeder Teil entspricht dem größeren Ganzen im Prinzip und ist eingebunden in eine höhere Ordnung sowie einen einheitlichen Schöpfungsplan, der eine zeitlich abgestufte Entwicklung vorsieht. Und diese wird uns durch die Astrologie offenbart.

Es gibt jedoch zwei Arten von Astrologie: die exoterische und die esoterische. Die exoterische Astrologie beschäftigt sich vorwiegend mit der Persönlichkeit des Menschen und mit den äußeren Ereignissen seines Lebens, und sie versucht, mit verschiedenen Deutungs- und Prognosesystemen das Schicksal des Menschen zu entschlüsseln und vorauszusagen. Diese eher persönliche Interpretation einer universellen Symbolik hat im Laufe der Jahrhunderte viele unterschiedliche astrologische Berechnungs- und Deutungssysteme hervorgebracht, die nicht selten spekulativ sind und ernsthafter Überprüfung nicht immer standhalten, weil sie die unterschiedlichen Entwicklungsebenen des Menschen außer acht lassen. So müssen sich zwangsläufig Fehleinschätzungen einstellen, denn der Mensch gewinnt mit zunehmender Bewußtseinsentwicklung eine größere Freiheit, die dazu führt, daß Planeten, die den unentwickelten Menschen in ein Schicksal zwingen, vom entwickelten als willkommene Lernschritte erkannt und gemeistert werden, ohne daß sich äußere Ereignisse zeigen.

In der esoterischen Astrologie geht es weniger um äußere Ereignisse, als vielmehr um die Entwicklung des Bewußtseins, die uns der Tierkreis offenbart, wenn wir seine tiefere geistige Dimension verstehen. Durch sie wird ein tiefgreifendes Verständnis der schöpferischen Kräfte und Energien möglich, die unser Bewußtsein prägen, und wenn wir dies mit unserem physischen Leben in Beziehung bringen, wird sich unsere Weltsicht verändern. Dies ist aber nicht möglich ohne Ehrfurcht vor der Schöpfung und ohne eine Haltung der Bescheidenheit, die sich automatisch einstellt, wenn wir ehrlich forschen und bereit sind zu akzeptieren, daß die Erforschung des Bewußtseins erst am Anfang steht und die Astrologie eine sich noch entwickelnde Wissenschaft ist, »die erst in ihrer ursprünglichen Schönheit und Wahrheit wieder hergestellt werden muß ...« (Alice Bailey). Dennoch ist es wichtig und sinnvoll, sich mit Astrologie zu beschäftigen, weil sie die einzige Wissenschaft ist, die uns die Möglichkeit gibt, unser Sein zu begreifen und uns als Teil einer Gesamtschöpfung wiederzufinden. Ihr System zu verstehen bedeutet, eine neue Dimension des Daseins zu entdecken, die uns ohne sie verschlossen bliebe. Sie zeigt uns das Wesen unseres Menschseins, den Aufbau und die Entwicklung unseres Bewußtseins, aber auch die hervorgehobenen Charaktereigenschaften und Erfahrungsbereiche unseres Lebens.

Wer esoterische Astrologie erlernen will, sollte sich aber darüber im klaren sein, daß sie ein profundes Studium erfordert, das uns Stufe um Stufe erkennen läßt, wer wir sind und was uns zu dem macht, was wir sind. Denn erst mit zunehmendem Verständnis für das Wirken und Werden des ewigen Schöpfungsprozesses begreifen wir, daß nur ehrliches Streben nach Wahrheit und Weisheit die Tore des wahren Wissens öffnet und uns eindringen läßt in ein umfassenderes Verständnis der Schöpfungsordnung, die sich dem Intellekt und dem konkreten Verstand niemals erschließt. Wer sich jedoch ernsthaft auf die geistige Dimension der Astrologie einläßt, wächst mit ihr. Sein Bewußtsein und sein Denken werden sich verändern, und er wird sein Leben nie mehr als sinn- oder ziellos empfinden, da er nie wieder vergessen wird, daß er Teil eines größeren Ganzen ist, das als ewige Schöpfungsordnung auch sein Leben durchdringt.

Die moderne Wissenschaft blickt im allgemeinen verächtlich auf die Astrologie herab, da sie sich ihren Kriterien nicht unterordnen läßt und anscheinend jedes Beweises entbehrt. Doch diese Auffassung beruht nur auf der Tatsache, daß es sich hier um etwas noch Unerforschtes handelt, das sich der vordergründigen Betrachtung entzieht und nicht mit materiellen Kriterien erfaßt werden kann. Denn in der Esoterik geht es um das Bewußtsein, das hinter allen sichtbaren Formen verborgen ist und die Evolution der physischen Welt bewirkt, und Bewußtsein läßt sich eben nicht mit den Methoden der exakten Wissenschaft messen. Für die Esoterik müssen also logischerweise andere Wissenschaftskriterien gelten. Sie hat ihre eigenen Gesetze, ihre eigene Terminologie und ihre eigene Methodik, die sich jedoch als ebenso zuverlässig erweisen, sobald man ihre Grundlagen beherrscht. Astrologie kann sich daher nicht auf statistische Untersuchungen stützen, die nicht in der Lage sind, das Wesen des Menschen zu erfassen. Der Versuch, astrologische Aussagen statistisch zu beweisen – eine Methode, die der exakten Naturwissenschaft entlehnt wurde –, ist für die tiefere Bedeutung der Astrologie von geringem Wert, da fließende Grenzen und unterschiedliche Entwicklungsebenen außer acht gelassen werden und so die Ganzheit und Einmaligkeit eines Horoskops nicht erfaßt werden kann.

Wenn wir uns aber die Mühe machen, die Grundlagen dieses esoterischen Wissensgebietes zu erlernen, werden wir feststellen, daß Esoterik keineswegs etwas Mystisches oder Unbestimmtes ist. Sie ist in ihrer wahren Form die »Wissenschaft von der Seele aller Dinge«, die als belebendes Bewußtsein überall in der Natur vorhanden ist. Sie beschreibt die Gesetze, die jeglicher Entwicklung zugrunde liegen, sei es ein Tier, eine Pflanze, ein Mensch, ein Planet oder ein Sonnensystem, und sie läßt uns erkennen, daß alles nach einem übergeordneten Gesetz funktioniert, durch das die Teile stets zu einem größeren Ganzen geordnet werden. Denn hinter allem Sichtbaren steht ein einheitlicher großer Plan, der sich durch den Rhythmus der Planeten auf die gesamte materielle Formwelt überträgt, und diesen zu entdecken, ist die eigentliche Aufgabe des Menschen, der nach Erweiterung seines Bewußtseins strebt.

   Ein Esoteriker ist also ein Mensch, der über das Materielle hinausblickt und nach dem Geheimnis dessen sucht, »was die Welt im Innersten zusammenhält« und dem Evolutionsprozeß zugrunde liegt. Er wendet seine Aufmerksamkeit von der Substanz- oder Formseite des Daseins ab, um die Quelle zu entdecken, die die physische Existenz hervorbringt. Zu diesem Zweck muß er in sich selbst die nötige Empfänglichkeit und Sensitivität für die Qualität oder das Bewußtsein entwickeln, das jeden physischen Körper beherrscht. Er kennt das Gesetz von Ursache und Wirkung und weiß, daß Ereignisse, Umstände, Geschehnisse und physikalische Phänomene jeder Art nichts anderes sind als Symbole eines Geschehens in den inneren Welten, und in diese Welten versucht der Esoteriker einzudringen, soweit es sein Wahrnehmungsvermögen erlaubt.

Für den Bereich der esoterischen Wissenschaften, zu dem die Astrologie in ihrer wahren Form gehört, müssen deshalb andere Kriterien gelten, Kriterien, die in dem hermetischen Grundsatz »Wie oben, so unten« zum Ausdruck kommen. Diesem Grundprinzip der Metaphysik entsprechend, werden Makrokosmos und Mikrokosmos als analoge Prinzipien verstanden. Das winzigste Atom ist dem Prinzip nach ein genaues Abbild des Sonnensystems. Die gigantische Geschichte des Sonnensystems hat ihre Entsprechung im kleinsten Atom. Das Erkennen dieser Entsprechung und das Begreifen, daß alles Sichtbare nur ein Gleichnis der Wirklichkeit ist, bilden das Fundament der esoterischen Astrologie. Denn zwischen Atom und Sonnensystem steht der Mensch mit seiner Fähigkeit, sich gedanklich auf beide Ebenen zu projizieren und dabei durch Begreifen der kosmischen Gesetzmäßigkeiten seine innere Bedeutung zu erkennen.

Die esoterische Forschung wird grundsätzlich von einer synthetischen Haltung bestimmt. Vom Allgemeinen zum Spezifischen ist ihr Grundprinzip, und dies stellt auch den entscheidenden Unterschied zur materiell-wissenschaftlichen Forschung dar, die versucht, vom Besonderen auf das Allgemeine zu schließen, wobei nur allzu oft die Tatsache übersehen wird, daß das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. So gilt eine Erkenntnis in der Esoterik auch nur dann als bewiesen und wahr, wenn ein bekanntes oder vermutetes Gesetz auf allen Ebenen der Existenz nachgewiesen werden kann und nicht nur auf der physischen Ebene – innerhalb eines vom Menschen geschaffenen isolierten Denkmodells – wie in der Naturwissenschaft. Denn diese gewinnt ihre Exaktheit ja nur dadurch, daß sie auf die Erforschung der Seele oder des Bewußtseins sowie des Ursprungs des Lebens völlig verzichtet.

Die Astrologie, die »Königin der Wissenschaften«, wie sie in archaischen Zeiten genannt wurde, kann jedoch so lange ebenfalls keine Wahrheit vermitteln, wie sie darauf beschränkt bleibt, Planeten zu berechnen, Tendenzen abzuschätzen und Voraussagen für das Leben zu machen. Erst wenn sie als Schlüssel zum ganzheitlichen Verstehen des Menschen betrachtet wird, gewinnt sie ihre wahre Bedeutung zurück, eine Wissenschaft zu sein, die die kosmische Dimension des Menschen erklärt.

»Astrologie (ist) ihrem innersten Wesen entsprechend die reinste Darstellung okkulter Wahrheit in der heutigen Welt, denn sie ist die Wissenschaft, die sich mit jenen bestimmenden und herrschenden Energien und Kräften beschäftigt, die durch und auf das ganze Feld des Raumes und auf alles, was in diesem Raum ist, einwirken.«

Alice Bailey: Esoterische Astrologie

Wenn wir uns diese Tatsache bewußt machen und uns daran gewöhnen, stärker in Begriffen von Energien und Kräften, Kraftlinien und Energiebeziehungen zu denken, werden wir in die Welt der Ursachen eindringen und die Beziehungen zwischen Makro- und Mikrokosmos erkennen, die uns bisher verschlossen waren. Um diese Beziehungen aber wirklich zu verstehen, wollen wir zunächst die Grundlagen der universellen Weisheitslehren betrachten, die als »Geheimwissen« alle Zeitalter überdauert haben und uns den Schlüssel liefern für das Verstehen kosmischer Zusammenhänge und den Ursprung astrologischen Wissens.

 



Widder

20. März – 20. April
1–30 Grad im Tierkreis
Element: Feuer
Kardinales, männliches Zeichen

Widder-Prinzip: Lebensimpuls, Initialkraft, Wille-zu-sein

Die erste Phase des Tierkreises

Am Anfang war die freie Energie, die Gestaltlosigkeit des Lichts oder der noch ungeformte »Urstoff des Geistes«, der sich über die drei Stadien Widder-Stier-Zwillinge (I. Quadrant) an eine Form bindet. Widder ist daher das Zeichen jeglichen Beginns wie auch des Beginns eines jeweils neuen Erfahrungszyklus, und so kommt der Wille-zu-leben in diesem Zeichen auch am unmittelbarsten zum Ausdruck.

Typische Verhaltensmerkmale

Der Widder-Geborene ist ein Mensch von großer Dynamik, voller Elan und Lebenskraft, der spontan handelt, ohne lange abzuwägen. Impulsiv seiner Eingebung folgend, versucht er, sich in der Welt durchzusetzen und seine Ideen zu verwirklichen, ohne Rücksicht auf Widerstände, die sich ihm in den Weg stellen mögen. Diplomatisches Taktieren, langatmige Vorbereitungen oder abstrakte Theorien sind seine Sache nicht. Schwierige Probleme löst er durch tatkräftiges Handeln, denn Widerstände sind da, um überwunden zu werden, an ihnen wächst er und mißt seine Stärke. Sein Mut und seine Waghalsigkeit entstehen aus seiner Unbedenklichkeit und seiner Unbefangenheit, mit der er jede Lebenslage betrachtet. Er hat eine kurze Reaktionszeit und stellt sich jeder Situation, denn spontan aus dem Augenblick heraus entscheidend, bevorzugt er Stegreifmethoden, bei denen das aufgegriffen wird, was sich gerade vorfindet. Oft scheint es, als besitze er einen untrüglichen Instinkt dafür, wo der Kern einer Sache zu finden ist, denn seine Lösungen sind stets die naheliegendsten und einfachsten. Zweifel läßt er nicht gelten, Umwege verachtet er, und so ist er oft schneller als andere, denn er folgt immer dem direkten Weg zum Ziel. Impulsiv vorwärtsdrängend und schnell in seinen Entschlüssen, ist er stets bereit, Risiken auf sich zu nehmen, da seine leidenschaftliche Abenteuerlust und seine spontane Begeisterung stärker sind als alle Bedenken oder die möglichen Folgen seines Tuns, über die er erst gar nicht nachdenkt.

Verankert im »Hier und Jetzt«, lebt er stets gegenwartsbezogen. Zukunftsangst kennt er nicht, aber auch Vorratshaltung und Sicherheitsdenken sind bei ihm eher schwach ausgeprägt. Der Verlust von materiellen Gütern erschüttert ihn wenig, doch er reagiert sehr empfindlich auf die Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit und seines Handlungsspielraumes, denn er wehrt sich gegen Zwänge und angepaßtes Verhalten. Von Natur aus ein Einzelkämpfer, ist er frei von Meinungsdruck und normiertem Verhalten, und er besitzt den Mut zu unabhängigen Entscheidungen und zum bedingungslosen Eintreten für sein Tun. Sein Denken, das in Sofortlösungen die jeweils aktuelle Seite eines Problems zu erfassen versucht, nimmt keine Rücksicht auf gewohnte Begriffe oder traditionelle Verhaltensweisen. Der unbewußt verspürte Drang nach Einheit seines Wesens veranlaßt diesen Typus, sich in jeder Lebenslage zu behaupten, ohne Rücksicht auf Sicherheiten, aber zuweilen auch ohne Rücksicht auf die Interessen der anderen, die er in seinem Übereifer zu Beginn der Entwicklung nicht selten übersieht. Andererseits gewinnt er aber gerade dadurch Eigenständigkeit und Authentizität, die ihn befähigen, der Umwelt neue Impulse zu geben oder Wege zu ebnen, die vor ihm noch niemand gegangen ist. So wird er häufig zum Initiator und Neuerer, der bereit ist, Wagnisse einzugehen und für seine Ideen auch zu kämpfen.

Der Widder-Geborene ist ein Mensch, der ohne viel Worte zu machen, Hand anlegt und keine Arbeit scheut, wenn nur »die Sache in Gang kommt«. Hat er einen bahnbrechenden Einfall, so drängt er auf Verwirklichung und wird selten den Weg des geringsten Widerstandes wählen. Seine persönliche Initiative braucht Raum für selbständige Entschlüsse, und so ist er auch kein Mensch, der sich bereitwillig Autoritäten beugt. Ihm entspricht es vielmehr, Leitlinien zu setzen, die Dinge ins Rollen zu bringen, denn er will neue Entwicklungen voranbringen, und meist ist er ihnen sogar einen Schritt voraus.

Als leidenschaftliche Kämpfernatur ist er der geborene Pionier, der Vorläufer, der den Drang verspürt, alte überholte Strukturen zu zerstören, um neuen Lebensformen Platz zu machen. In seiner spontanen Begeisterung und seinem Übereifer fällt er dabei manchmal mit der Tür ins Haus, da es ihm primär nicht auf die Erreichung eines umgrenzten materiellen Ziels ankommt, sondern auf das jeweilige Prinzip, das er vehement und zuweilen mit Fanatismus vertritt. Dies sollte man bedenken, bevor man sich wieder mal über das Vorpreschen eines Widders ärgert, denn hat er gesagt, was zu sagen war, ist er wieder ausgesprochen friedlich und offen für jedes Gegenargument, das er meist erst im nachhinein abzuwägen bereit ist.

Diese Eingleisigkeit und die Direktheit, mit der er seine Ziele verfolgt, machen die Stärke, aber auch die Schwäche dieses Zeichens aus. Ohne zu zögern und unbeirrbar in seinen Zielen und Idealen ist er ein Mensch, der alles auf eine Karte setzt. So ist er auch absolut undiplomatisch, da er faule Kompromisse oder Umwege von vornherein ablehnt. Er ist offen und ehrlich, denn als »geistiges Kind« des Tierkreises hat er noch nicht gelernt, seine Impulse zurückzuhalten. Sein Temperament ist ungezügelt, und im Rausch der eigenen Begeisterung kann er andere schon mal überrollen, aber auch grenzenlos mitreißen, denn ein Widder macht niemals etwas halbherzig. Sein Handeln ist stets authentisch und gefühlsecht; er liebt keine Winkelzüge und kein Taktieren, denn er steht immer mit seiner ganzen Person hinter dem, was er sagt und tut. Deshalb erwartet er auch, daß man ihn so akzeptiert, wie er ist, und nicht selten ist er tief enttäuscht und überrascht, daß seine Offenheit und Wahrheitsliebe von anderen so gar nicht geschätzt wird.

Der Widder ist ein Mensch ohne Raffinesse und Verstellungen, der sich nicht scheut, sich so zu zeigen, wie er ist. Meist bekennt er sich freimütig zu seinen Fehlern, aber er hält auch mit Kritik bei anderen nicht zurück, denn er spricht gewöhnlich offen aus, was er denkt und zuweilen auch das, was andere mühsam zu verbergen suchen. Diese Eigenschaft trägt ihm nicht immer Sympathien ein, zumal sein Einfühlungsvermögen in die Empfindlichkeiten anderer zu Beginn der Entwicklung nur schwach ausgeprägt ist und ein Gefühl für Maß und Grenzen mitunter fehlt. Mit seiner Impulsivität und Unbedenklichkeit zerschlägt er deshalb auch so manches Porzellan, und hin und wieder steht er fassungslos vor einem Scherbenhaufen, ohne zu begreifen, wie es dazu kam. Denn so manche ausgesprochene Wahrheit, die er in seiner Vorliebe für klare Verhältnisse anspricht, kann empfindliche Gemüter so hart treffen, daß man ihm dies nur schwer verzeiht. Hier liegt das Problem des Widders, der nicht selten ein ganzes Leben braucht, um seine Impulsivität zu beherrschen und mehr Verständnis für die Empfindlichkeiten seiner Mitmenschen aufzubringen, die seine Wahrheitsliebe, seine Offenheit, aber auch sein Tempo nicht immer aushalten können. Doch hat man sich einmal an sein Tempo und seine Distanzlosigkeit gewöhnt, ist der Umgang mit ihm einfach und unkompliziert. Er ist ehrlich und direkt und verspricht selten mehr, als er zu halten bereit ist. Er mag sich hin und wieder überschätzen, aber Falschheit und bewußte Irreführung sind im allgemeinen nicht im Spiel. Wenn er erzählt, wird er zuweilen etwas übertreiben, denn oft läßt er sich von seiner eigenen Begeisterung so sehr mitreißen, daß das eine oder andere etwas gewichtiger erscheinen mag, als es ist. Solcher Art sind seine Lügen, aber im übrigen kann man ihm so ziemlich alles glauben, denn er sagt, was er denkt.

Dies gilt auch in Beziehungen, auch hier gibt es für den Widder Zwiespältigkeiten der Gefühle auf Dauer nicht. Im Zweifelsfall wird er sich schnell entscheiden, denn Unsicherheiten und Unklarheiten kann er nicht ertragen. Tritt eine Krise in der Partnerschaft auf, so wird es immer der Widder sein, der das klärende Gespräch sucht, um unterschwellige Mißverständnisse auszuräumen. Wenn er Probleme hat, wird er diese nicht mit sich selbst ausmachen oder sich zurückziehen, wie z.B. der Krebs, der in die Einsamkeit flüchtet, um seinen Kummer zu verdauen. Nein, dies würde einem Widder niemals einfallen, denn extrovertiert und auf die Auseinandersetzung mit der Umwelt angelegt, will er einem Konflikt nicht ausweichen. Zuweilen scheint er die Konfrontation direkt zu suchen, denn durch sie erfährt er seine Grenzen und findet seine Eigenständigkeit und Identität. So ist er auch niemals bereit, stillschweigend Dinge einfach hinzunehmen und zu warten, bis sich ein Problem von selber löst. In Krisenzeiten wird er vielmehr hektisch-lebendig, und er wird sich, von Ruhelosigkeit umhergetrieben, in energische Aktivität stürzen oder einen Gesprächspartner suchen, mit dem er seine Probleme ausdiskutieren kann.

Der Widder kennt nur eine Gangart, die nach vorn. So ist Geduld auch keine seiner Eigenschaften und Warten eine seiner größten Prüfungen. Seine Ausdauer ist nur kurz, und weil seine Energie stets an Herausforderungen gebunden ist, kann er nicht zusehen, wie sich Dinge entwickeln. Er muß eingreifen, ohne Rücksicht auf die Widerstände, die sich ihm in den Weg stellen mögen. Aufgrund dieser starken Willensbetonung unterliegt er oft einer zu großen Leistungsspannung, die zuweilen über die körperliche Kraft hinausgeht. Er ist äußerst zäh und neigt dazu, sich mit dem Willen zu überfordern, was zeitweilig zu körperlichen Zusammenbrüchen führen kann. Zeiten der Überaktivität wechseln mit Phasen der Neuorientierung, doch am stärksten ist immer die Anfangsenergie, der ursprüngliche gedankliche Impuls, der sofort in Handeln umgesetzt werden muß, damit die Kraft nicht nachläßt und seine Begeisterung nicht ihren mitreißenden Schwung verliert.

Sanftmut und weibliche Hingabe suchen wir in diesem Zeichen meist vergebens, denn mit kämpferisch-herausforderndem Verhalten tritt der Widder-Geborene der Umwelt gegenüber. Er weicht keiner Hürde aus, und je höher das Risiko, umso mutiger wird er sich zeigen, und nur selten wird man einem Widder seine innere Unsicherheit anmerken, denn je unsicherer er ist, umso mehr »haut er auf den Putz«. Sein Handeln wirkt zuweilen brüsk und wenig einfühlsam, doch gerade durch diese Kompromißlosigkeit und das mutige Eintreten für eine Idee gewinnt er seine Stärke, seine Widerstandskraft und sein Selbstwertgefühl, das stets an bestandene Herausforderungen gebunden ist, die es im Physischen oder im Geistigen zu bewältigen gilt.

Kriterium für Entwicklung

Mut, Stärke und Unerschrockenheit sind kein Zeichen für Fortschritt, denn sie sind auf jeder Entwicklungsstufe vorhanden. Doch während der reife Widder versucht, seinen Mitmenschen kraft seines geistigen Ideals einen neuen Weg zu öffnen, den vorher noch niemand gegangen ist, und ihn auch unter persönlichen Opfern zu verteidigen, ist der Mut des unreifen Widders nicht getragen von einem Ideal, das er in die Welt bringen möchte, sondern vom Wunsch nach Erfahrung der eigenen Kraft und Stärke und dem Ausloten der jeweiligen Grenzen. Entscheidend ist daher die Art des Ideals oder die Motivation des Handelns, die mit zunehmender Entwicklung selbstloser wird. Und es ist das Maß an Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit zu nuancierter Betrachtungsweise, die den entwickelten Widder-Menschen besonnener, ruhiger und rücksichtsvoller werden lassen, sobald er gelernt hat, seine spontanen Reaktionen auf Umweltreize gedanklich abzufedern.

Stärken und Schwächen des Widder

Die Stärken sind Idealismus, Begeisterungsfähigkeit, Mut, schnelle Reaktionen und Entschlußkraft sowie ein Sinn für das Naheliegende und für einfache Lösungen.

Die Schwächen dieses Zeichens sind Ungeduld, überschnelle Reaktionen und mangelndes Verständnis für die Sensibilität anderer. Impulsivität, Rücksichtslosigkeit und eine gewisse unbewußte Aggressivität sind zu Beginn der Entwicklung ebenso spürbar wie die Neigung zu Übereifer und Fanatismus.

Die drei Entwicklungsebenen im Widder

Persönliches Bewußtsein: Exoterischer Herrscher – Mars
Seelenbewußtsein: Esoterischer Herrscher – Merkur
Geistiges Bewußtsein: Hierarchischer Herrscher – Uranus

1. Stadium: Entwicklung der Persönlichkeit

Zeichenherrscher: Mars Leitmotiv: Selbst-Behauptung

Zu Beginn der Entwicklung – wenn Mars herrscht – richtet sich das kämpferische Temperament des Widder-Geborenen auf die physische Ebene. Draufgängerisch, abenteuerlustig und ohne Rücksicht auf sich und andere versucht er, seine Stellung im Leben zu finden, die eigenen Kräfte zu erproben und seine Grenzen auszuloten. Ziellose Impulsivität und sexueller Antrieb sind auf dieser Stufe vorherrschend; er ist streitlustig bis aggressiv-kämpferisch, wenn es darum geht, sich in der Welt zu behaupten und seine Ziele zu erreichen.

Durch Ideen oder Ideale schnell zu begeistern, neigt er zu Übertreibung und Fanatismus, sobald er für sich eine neue Aufgabe entdeckt hat. Ist er von einer Idee ergriffen und überzeugt, wird er sie vehement verfolgen und zuweilen unüberlegt seine Gesundheit aufs Spiel setzen, wenn es nur der Sache dient. Diese Haltung stärkt die Entwicklung des Willens und gibt dem Widder eine Richtung, die anfangs noch wenig eindeutig ist, da er auf unreifer Ebene einer Fülle von Ideen und Impulsen ausgeliefert ist, die er nur schwer kanalisieren kann.

Mit zunehmender Persönlichkeitsentwicklung wird sein Handeln jedoch bewußter und überlegter. Zwar wird er sich noch immer zu unüberlegten, spontanen Gefühlsreaktionen hinreißen lassen, doch sein dynamisches Vorpreschen ist nun begleitet von gedanklicher Konsequenz und dem mutigen Eintreten für unpopuläre Wahrheiten, die er schonungslos vertritt, auch wenn sie seinem Image schaden. Es drängt ihn, seine eigenen Ideen in die Welt zu bringen und sie auch dann kämpferisch zu verteidigen, wenn sie nicht im Trend der Zeit liegen. Denn ihm geht es darum, das Leben und sich selbst zu erfahren und allen Widerständen unerschrocken und konsequent die Stirn zu bieten, wenn es gilt, die eigenen Überzeugungen zu vertreten und sich durchzusetzen.

2. Stadium: Seelenbewußtsein

Zeichenherrscher: Merkur Leitmotiv: Harmonie durch Konflikt

Auf seelisch erwachter Ebene – wenn Merkur die Wirkung des Mars verstärkt – verliert sich die Leidenschaft des Kriegers, und der Mensch erlebt und erprobt sich nun auf der Ebene des Denkens. Dadurch verliert sich sein eigenwillig-emotionales Temperament und seine Handlungen entspringen nun gedanklichen Überlegungen, die das Für und Wider einer Sache abwägen. Dies bringt zunächst widerstreitende Tendenzen im Bereich der Gefühle und Gedanken mit sich und zeigt sich in häufiger auftretenden Konflikten mit anderen, die auf seinen Widerspruchsgeist nicht selten heftig reagieren. So erprobt der Widder seine Stärke und seinen Mut jetzt im Denken, indem er sich dem notwendigen Konflikt stellt und keiner Schwierigkeit ausweicht, denn nur durch mental ausgetragene Konflikte entstehen schließlich harmonische Beziehungen mit anderen.

Auf diese Weise tritt das Gegensatzpaar Widder-Waage in Wechselbeziehung, und in dem Maße, wie der Widder sein Denken auch in abstrakte Bereiche erweitert, wird er sich der grundlegenden Dualität des Lebens bewußt, die durch ein vermittelndes Denken vereint werden muß. Dies veranlaßt ihn, sein Temperament und seine Impulsivität zu zügeln und das Denken zu nutzen, um Konflikte im Dialog zu lösen und Harmonie zwischen sich und der Umwelt herzustellen. So erfährt der seelisch erwachte Mensch dieselbe Läuterung des Charakters, die der unentwickelte Widder durch die »Feuer von Krieg und Kampf« auf der physischen Ebene erlebt, durch die erleuchtende Kraft des Denkens, die ihm auf dieser Ebene als Wegweiser seiner Handlungen dient.

3. Stadium: Geistiger Mensch

Zeichenherrscher: Uranus Leitmotiv: Okkultes Bewußtsein

Wenn Uranus auf hierarchischer Ebene herrscht, ist das Gegensatzpaar Widder-Waage im Bewußtsein verschmolzen. In dieser Phase verliert die Persönlichkeit ihre Bedeutung als beherrschende und lenkende Kraft, und es entsteht der Wille zur Mitarbeit am großen Schöpfungsplan. Denn Uranus beherrscht den »okkulten Pfad« und entfaltet ein spirituelles Bewußtsein, mit dem der geistig erwachte Mensch die Ganzheit des Lebens erkennt. Nun dient der Wille des Widder-Geborenen nicht mehr der Erfahrung in der Welt, sondern er ist einzig darauf gerichtet, geistige Ideen in das Denken der Menschheit zu bringen, um ihren Fortschritt zu beschleunigen. So verliert der Eigenwille seine Bedeutung für den geistig erwachten Menschen, der sich bewußt ist, daß sich der höhere (göttliche) Wille im universellen Rhythmus des Lebens manifestiert, dem alle kleineren Rhythmen untergeordnet sind.

Neptun als mystisches Einheitsempfinden

All-umfassendes Bewußtsein
im Sinne allgemeiner Menschenliebe.
Auflösung der Persönlichkeitsgrenzen,
Sehnsucht nach Einheit, mystisches Bewußtsein.
Idealismus, Hingabe an ein geistiges Ideal.
Psychische Feinfühligkeit, Feinsinnigkeit.
Transzendentale Wahrnehmung.
Seelisches Einfühlungsvermögen, Musikalität.
Verblendung, mangelnder Realitätssinn,
Suchtanfälligkeit.

Die bisher beschriebenen sieben Planeten sind die Prinzipien, die den Menschen zu einer »integrierten Persönlichkeit« werden lassen. Sie schaffen die Grundlage für die Entwicklung des instinktiven, unbewußten Menschen zu einer eigenständigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit, und in diesem Sinne bilden sie ein geschlossenes Ganzes.

Mit Neptun betreten wir nun eine neue, höhere Ebene des Bewußtseins, die der überpersönlichen oder transformatorischen Planeten, zu denen auch Uranus und Pluto gehören. Diese transsaturnischen Planeten bilden das sogenannte Überbewußte des Menschen, das aus höherer Warte auf das saturnische Bewußtsein einwirkt, um die Begrenztheit des menschlichen Denkens zu durchbrechen und sein Bewußtsein zu transzendieren.

Der erste dieser transformatorischen Planeten ist Neptun, der als höhere Oktave der Venus gilt, denn er verkörpert das Prinzip der Hingabe und grenzenlosen Liebe, die schließlich einmal an die Stelle menschlicher Begierde und besitzergreifender Liebe treten wird. Er ist das Prinzip, das uns ermöglicht, Einheit zu empfinden, da er die Grenzen unseres Ich-Bewußtseins auflöst, um uns aus der Begrenztheit des Ich-Standpunktes zu befreien.

So gilt er allgemein als der Planet, der uns »durchlässig« und feinfühlig macht für Eindrücke aus höheren Ebenen der Existenz. Er läßt uns feinste Schwingungen erspüren und öffnet unser Empfinden für die Ganzheit unseres Wesens, bis hin zu einer Allverbundenheit, die in Augenblicken der Zeitlosigkeit wahrnehmbar wird. Daraus resultiert auch eine Fähigkeit zu visionären Ahnungen und zu Erlebnissen, die uns die gewohnte Realität des Irdischen überschreiten lassen, bis hin zu außersinnlichen Wahrnehmungen höherer Realitäten. Diese Fähigkeit bietet die Chance, uns in grenzenloser Verbundenheit mit allem Lebendigen zu erleben, aber auch die Gefahr der Verblendung, Selbsttäuschung und Illusion, wenn der Persönlichkeitskern schwach ist und die Denkfähigkeit und Urteilskraft noch mangelhaft entwickelt sind.

Um Neptun als positive, bewußtseinstranszendierende Kraft zu erleben, bedarf es daher eines gut entwickelten Denkens (Merkur) und eines verläßlichen Realitätssinns (Saturn), die eine Garantie dafür bieten, daß ein Mensch sich nicht in visionäre Traumwelten hineinziehen läßt, in denen die eigene Realität verschwimmt. Ist dies der Fall, so kann die grenzenauflösende Kraft des Neptun eine Selbstentfremdung durch wehrloses Überflutetwerden von Fremdeinflüssen zur Folge haben, die den Persönlichkeitszusammenhang gefährden und in Extremfällen den Boden schaffen für Massenpsychosen, religiöse Verblendungen und die Suche nach tranceartigen Bewußtseinszuständen, bis hin zu rauschhafter Süchtigkeit. Die Grenze zwischen höherer Inspiration und leichtgläubiger Täuschung ist gerade bei diesem Prinzip besonders schmal, denn die hohe Schwingung des Neptun, als feinstofflichstem Planeten unserer Sphäre, kann erst dann zuverlässig wahrgenommen werden, wenn die Empfindungen eines Menschen nicht mehr durch persönliche Gefühle und Emotionen getrübt sind. Die Grenze zwischen mystischer Wahrnehmung höherer Existenzebenen und Einbildungen oder wahnhaften Verblendungen ist daher fließend, und auf unentwickelter Ebene bringt Neptun nicht selten die Gefahr der Selbsttäuschung und eines mangelnden Realitätssinns mit sich, da die Grenzenlosigkeit des empfindenden Wahrnehmens die Selbsterkenntnis erschwert. So ist seine Wirkung auch immer abhängig von der Ebene des Bewußtseins, die darüber entscheidet, ob uns Neptun als grenzenauflösende Kraft zu Inspirationen und visionären Eingebungen verhilft oder ob er weltfremde Phantasien, Selbsttäuschungen und Verblendungen, aber auch Unredlichkeit, Lügen und Ausflüchte jeder Art bewirkt, mit denen ein Mensch der Realität des Lebens zu entfliehen sucht.

Dennoch ist seine Wirkung immer als transformatorisch und bewußtseinserweiternd anzusehen, auch wenn er uns auf unbewußter Ebene zuweilen »den Boden unter den Füßen wegzuziehen« scheint und uns zur Flucht vor Verantwortung veranlaßt. Denn er steigert unser wahrnehmendes Empfinden bis ins Übersinnliche, unser ästhetisches Wertebewußtsein (Venus) zu einem Empfinden feinster Schwingungen und unser Einfühlungsvermögen (Mond) zu einem wahrnehmenden Empfinden der Einheit allen Lebens. Dieses Auflösen von Grenzen bringt jedoch vorübergehend die Gefahr der Persönlichkeitsüberfremdung mit sich, denn ein dominierender Neptuneinfluß macht einen Menschen offen für Umwelteinflüsse, aber auch für unbewußte Seelenschichten und für das Überbewußte. Doch gerade durch dieses Auflösen von Begrenzungen ist er der Garant dafür, daß wir mit unserer Seele in Verbindung bleiben und stets eine tiefe Sehnsucht nach Einheit und Ganzheit bewahren, die uns nach liebevoller Verbundenheit mit allem Lebendigen streben läßt.

Die wesentliche Aufgabe des Neptun ist es daher, unser seelisches Empfinden mit der Einheit kosmischen Geschehens in Verbindung zu bringen. Im Gegensatz zu Saturn, der dem Bewußtsein Grenzen setzt und uns zwingt, uns mit uns selbst und unseren eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu konfrontieren, erzeugt Neptun die Sehnsucht nach Befreiung aus den Grenzen des Ich durch Versenkung und Meditation bis hin zur Suche nach mystischer Ekstase, in der das Göttliche erfahrbar wird. Er öffnet uns das Tor zu einer höheren Wirklichkeit, die wir nur durch selbstvergessene Hingabe erfahren können.

Zusammenfassend  können wir sagen, Neptun steigert unsere Empfindung durch Transzendierung des Persönlichkeitsbewußtseins zu höchster Feinsinnigkeit bis hin zu mystischer Schau, und so ist er auch ein wesentliches Element des religiösen Erlebens, das uns aus dem Alleinsein zum »All-Ein-Sein« führt. In diesem Sinne kann er als die höhere Oktave der Venus betrachtet werden, da er die menschliche Liebe der Venus zur allgemeinen Menschenliebe wandelt, indem er die Grenzen unseres Ich-Bewußtseins auflöst. So führt er uns durch Sublimierung unseres persönlichen Empfindens zum Empfinden der Seele, deren Wesen allumfassende Liebe ist.

Die esoterische Bedeutung des Neptun

Esoterisch betrachtet ist der Dreizack als Zeichen des Neptun das Symbol des »welteneinweihenden Christus« oder der manifestierten Göttlichen Trinität. So ist mit Neptun auch stets das Ideal Göttlicher Liebe verbunden, das in uns allen als tiefe Sehnsucht nach Liebe und Glück vorhanden ist, aber so lange unerfüllt bleibt, wie wir dieses Glück im Materiellen zu erreichen suchen.

In der Mythologie erscheint Neptun, der dem griechischen Poseidon entspricht, als Gott des Meeres. Er ist der Bruder des Zeus und des Hades, die sich die Weltherrschaft teilen. Während Zeus und Hades die Urpolarität von Licht und Finsternis oder Leben und Tod symbolisieren, verkörpert Poseidon die mächtige Naturgewalt des Wassers oder den nie zur Ruhe kommenden Fluß des Lebens. Mit seiner göttlichen Kraft beruhigt er die entfesselten aufgebrachten Wogen des Meeres, doch immer wieder erhebt sich dieses Element, die gewaltige Gefühlsnatur, gegen seinen Meister.

Strahlqualität: 6. Strahl

Neptun erhält seine Eigenschaft – wie der Planet Mars – durch den 6. Strahl der Hingabe oder Devotion. Doch im Unterschied zu Mars, der seine Ideale durch physischen Kampf zu verwirklichen sucht, bewirkt Neptun die Fähigkeit zur Hingabe an ein höheres (göttliches) Ideal, das sich als tiefes religiöses Einheitsgefühl zum Ausdruck bringt.

Neptun hat daher stets einen Bezug zum Jenseitigen, Transzendentalen, denn er ist der Planet, der uns ein »mystisches Bewußtsein oder jene angeborene Feinfühligkeit verleiht, die unbeirrbar zur höheren Schau führt und zur Erkenntnis der Wechselbeziehung, die sich aus der wesensmäßigen Dualität des Menschen während der Manifestationszeit ergibt« (Alice Bailey). Er erweitert unsere Liebesfähigkeit vom egoistischen Wunsch, etwas zu besitzen und Befriedigung zu erlangen, zur inneren Verbundenheit mit anderen bis hin zur Allverbundenheit.

Während Mars die Mentalität der religiös motivierten Kreuzzüge symbolisiert, die trotz des idealistischen Motivs Blutvergießen und Leid mit sich bringen, bewirkt Neptun als Überträger des gleichen Strahls die Erweiterung unserer persönlichen Hingabe und Liebesfähigkeit zur selbstlosen, allumfassenden Liebe. Denn Neptun wirkt vor allem auf unseren Astralkörper ein und veranlaßt uns, durch Idealismus und selbstlose Hingabe an andere, unsere emotionale Natur zu verwandeln. Er ist der mythologische »Gott der Gewässer«, der unsere Gefühlsnatur sublimiert, die beherrscht und von niederen Emotionen befreit werden muß, um zum Spiegel der Seele zu werden. Neptun hat daher stets eine verfeinernde Wirkung, indem er uns durch subtile Umwandlung des emotionalen Verlangens in Liebe vom Ego befreit. Er wirkt auf das »Meer unserer Gefühle« ein, um die Wogen zu glätten, die unsere Emotionen und negativen Gefühle erzeugen und die uns hindern, die Liebe unserer Seele wahrzunehmen, die allein fähig ist, unsere Sehnsucht nach Einheit zu erfüllen.

nach oben         zurück zu Bücher